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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Kapitel 40: Pilze am Spieß



Lithe-Feiertage 1384 AZ



Frodo verzog das Gesicht, als er nach einem weiteren Teller griff und ihn in das seifige Wasser tauchte. Er würde dieses Gefühl nie wieder loswerden. Seine Finger würden für den Rest seines Lebens aufgeweicht bleiben. Missmutig krempelte er seinen rechten Ärmel, der heruntergerutscht war, wieder hoch. Er warf einen wütenden Blick in Saradocs Richtung. Der Herr von Bockland unterhielt sich gerade mit einigen Hobbits, wobei er einen Bierkrug in der rechten Hand hielt.
Er selbst stand unter dem Dach eines kleinen Zeltes, vor einer großen Holzwanne voller Wasser. Zu seiner Rechten stapelte sich das schmutzige Geschirr, angefangen von Tellern und Bierkrügen, bis hin zu Kochtöpfen und Pfannen. Links neben ihm war ein Tisch platziert worden, wo er das abgewaschene Geschirr hinstellte, welches Merry dann abtrocknete, um es auf einen weiteren Tisch zu legen, wo es gelegentlich von Esmeralda oder einem anderen Hobbit abgeholt wurde. Frodo vermutete, dass die Pfannen und Töpfe auf einen kleinen Wagen geladen und später zurück zum Brandyschloss gebracht wurden, während man Teller und Gläser wieder hinunter zum Fluss trug, dort wo sich auch das ganze Essen befand.
Während der Feiertage verbrachte man die Zeit immer am Fluss, nahe der Fähre. Von da aus war es kein weiter Weg zurück zum Brandyschloss oder nach Bockenburg und wenn es besonders heiß werden sollte, konnte man in den Fluss springen und sich eine Abkühlung verschaffen. Letzteres war vor allem für die Kinder gedacht.

Für alle Kinder, außer für Frodo und Merry. Sie waren inzwischen den dritten Tag in Folge damit beschäftig, das schmutzige Geschirr wieder zu sauberem zu machen und waren nur am Mittjahrstag für einen Nachmittag von ihrer Arbeit befreit worden. Es war keine leichte Arbeit und noch dazu eine, die mit der Zeit unerträglich langweilig wurde. Außerdem hatte Frodo inzwischen das Gefühl, seine Finger nicht mehr spüren zu können, so schrumpelig und aufgeweicht waren sie geworden.

"Können wir nicht tauschen?", fragte er und wandte sich Merry zu, der gerade einen der Krüge mit einem Tuch trockenrieb.
Merry schüttelte den Kopf. "Mir gefällt dieser Teil der Arbeit besser."
"Ich würde aber auch gerne einmal den angenehmeren Teil der Arbeit erledigen."
Mit diesen Worten ging Frodo um den Tisch herum und entriss Merry das Tuch.
"Du spülst!" verkündete er dann und griff nach einem nassen Teller.
Merry grummelte in sich hinein, krempelte sich dann aber ebenfalls die Ärmel hoch und wendete sich missmutig einer Pfanne zu.



~*~*~



Stunden vergingen. Inzwischen war es früher Nachmittag geworden und Saradoc hatte den jungen Hobbits eine Pause gegönnt. Diese nutzten sie, um eine Mahlzeit einzunehmen. Dösend saßen sie in der Sonne am Flussufer; hinter ihnen die lauten Unterhaltungen der Hobbits auf den Festbänken, vor ihnen das friedliche Plätschern des Flusses. Frodo stocherte in seinem Teller mit Kartoffeln und Hühnerflügeln herum.
Warum konnten die Feiertage nicht schon vorüber sein? Missmutig rieb er mit dem Daumen über die restlichen Finger. Nach diesen drei Tagen würde er nie wieder spülen. Nicht so lange er noch im Brandyschloss lebte und erst recht nicht, wenn er ausgezogen war und eine eigene Familie gegründet hatte. Seine Frau konnte spülen, er nicht.
Merry hatte seinen Teller inzwischen zur Seite gestellt und sich ins Gras gelegt. Frodo aß noch eine Kartoffel und tat es ihm dann gleich.
"Denkst du, wir bekämen noch mehr Ärger, wenn wir uns jetzt wegschlichen?", wollte Merry wissen, dem das Spülen von Geschirr nicht mehr zusagte, als Frodo.
Dieser sah ihn entgeistert an. "So hat das Ganze angefangen. Ich denke nicht, dass es sehr hilfreich sein würde, wenn es darum geht dieser Sache ein Ende zu setzen."

Merry seufzte und beobachtet die Wolken, die über ihnen vorbei zogen. Inzwischen war er ziemlich wütend auf seinen Vater. Hätte er sich nicht eine bessere Strafe ausdenken können?
Er wandte sich um, als freudiges Gelächter an sein Ohr drang. Nicht weit von ihnen entfernt, sprangen gerade einige der Kinder aus dem Brandyschloss in den Fluss. Wie gern wäre er jetzt unter ihnen.

"Merry? Frodo? Wo bleibt ihr denn?", es war Saradoc, der nach ihnen rief. "Hier gibt es eine Menge Geschirr, das noch auf euch wartet."
Merry sah wütend den Hang hinauf, wo er seinen Vater im Licht der Sonne stehen sah, ehe er grummelnd wieder auf die Beine kam. Sein Vetter klopfte sich einige Grashalme von der Hose. "Wenn das Geschirr wartet, soll er doch selbst zu ihm gehen!" murrte Merry, griff nach seinem Teller und lief zurück nach oben.

Wieder ging alles von vorne los. Frodo spülte die Teller und Merry trocknete sie, bis sie, irgendwann im Laufe des Nachmittages, ihre Plätze tauschten.
"Ich hasse das!" murrte Merry und warf den Lappen, mit dem er die Teller abwusch schwungvoll ins Wasser.
"Das hättest du dir vorher überlegen müssen", erklärte Saradoc, der plötzlich vor den Hobbits aufgetaucht war.
Merry entgegnete nichts, sah seinen Vater aber wütend an. Frodo griff nach einem Teller und rieb ihn geistesabwesend trocken, während seine Augen ebenfalls auf dem Herrn von Bockland ruhten.
"Hört auf, mich so anzusehen!" verlangte dieser streng. "Ihr wusstet genau, dass es falsch war und seid trotzdem nach Bockenburg gegangen. Nun müsst ihr euch zusammenreißen und für die Konsequenzen gerade stehen."
"Und was, wenn mir die Konsequenzen nicht gefallen?", wollte Merry starrköpfig wissen.
Frodo sah ihn mit erschrockenen Augen an. Er war auch wütend, doch Saradoc jetzt auch noch zu reizen, konnte zu einem schlimmen Ende führen.
Saradoc sah seinen Sohn ernst an, ließ aber seinen Blick auch kurz zu Frodo gleiten. "Dann wirst du in Zukunft meine Entscheidungen respektieren müssen."
Merry sagte nichts, sah seinen Vater aber weiterhin zornig an. Dieser erwiderte seinen Blick. Frodo glaubte, er könne Funken erkennen, die zwischen Vater und Sohn hin und her flogen. Konnte Merry nicht einfach nachgeben? Er würde alles nur noch schlimmer machen.
"Hör auf, mich so anzusehen, Meriadoc, oder ich werde euch einen weiteren Tag spülen lassen", drohte Saradoc und deutete mit einer Handbewegung auf das Geschirr, "denn ich denke nicht, dass heute Abend alles sauber sein wird."
"Merry!" Frodo konnte sich nicht zurück halten. Sein Vetter musste wieder zur Vernunft kommen. Sofort!
Merry wandte den Blick ab und grummelte in sich hinein.
Saradoc sah Frodo an: "Immerhin einer scheint mich verstanden zu haben."

"Bist du wahnsinnig geworden?", fuhr Frodo ihn an, als Saradoc gegangen war. Den Teller hatte er inzwischen zur Seite gelegt, doch das Tuch hielt er noch immer in der Hand.
"Ich konnte nicht anders", entgegnete Merry angefressen und blickte seinem Vater hinterher. "Ich hasse diese Arbeit!"
"Ich auch", meinte Frodo, "aber deswegen lasse ich mich nicht auf solch eine Diskussion ein. Du weißt genauso gut, wie ich, dass er, wenn es um Bestrafungen geht, nicht locker lässt."
Merry nickte und griff missmutig wieder nach dem Lappen.
"Ich hasse sie trotzdem", murrte er und tastete nach einer Pfanne.
Frodo schüttelte den Kopf. Sein Vetter brauchte dringend eine Ablenkung. Für einen Augenblick zeigte sich ein schelmisches Grinsen in seinem Gesicht. Mit einer schnellen Bewegung ließ er das Tuch fallen, rannte um den Tisch, huschte an Merry vorbei, tauchte die Hände in das Spülwasser und spritzte seinen Vetter damit nass. Merry starrte ihn entgeistert an. Frodo grinste von einem Ohr zum anderen, und ging bereits wieder um den Tisch herum, wo er nach seinem Tuch griff und nach einem weiteren Teller tastete, den es abzutrocknen galt. Doch dazu kam er nicht. Merry hatte inzwischen seinen Lappen in das Wasser getaucht und schleuderte diesen nun nach seinem Vetter. Frodo hatte nichts anderes erwartet und warf den Lappen zurück. Unter einigem Gelächter und Gekicher wurden nasse Tücher hin und her geworfen, bis beide Hobbits, in nun recht feuchten Kleidern, wieder an die Arbeit gingen, da sie Saradoc entdeckten, der nicht sehr erfreut zu ihnen herüberschielte.



~*~*~



Es wurde Abend in Bockland. Fast zwei Monate waren seit den Lithe-Feiertagen vergangen. Frodo und Merry hatten in diesem Sommer viel zu arbeiten. Viele Wochen lang hatten sie sich um die Schweine gekümmert und auf den Feldern geholfen. Doch gab es auch Tage ohne Arbeit; Tage an denen sie zum Fluss hinunter gingen, ausritten oder es sich unter ihrem Apfelbaum im Bruch gemütlich machten. Selten waren sie dann vor Sonnenuntergang im Brandyschloss anzutreffen.
An diesem Tag aber, war das anders. Viele der Hobbits arbeiteten noch auf den Feldern, als Merry und Frodo das Flussufer verließen und den Heimweg antraten. Pippin sollte zu Besuch kommen und seine Ankunft wollten sie auf keinem Fall verpassen.

Rasch eilten sie über die frisch abgemähten Wiesen, vorbei an einigen der letzten Heumahden, die noch eingesammelt werden mussten. Marmadas hatte sich dieser Arbeit angenommen und Frodo grüßte ihn freundlich, als er an ihm vorüber ging.

Von weitem schon, sahen sie, dass ein Wagen vor dem Brandyschloss stand. Merry war nicht mehr zu bremsen und stürmte voraus.
"Merry!" rief Pippin freudig, sprang vom Wagen herunter und seinem Vetter entgegen.
Er umarmte ihn stürmisch und fiel schließlich auch Frodo um den Hals.

Paladin war mit seinem Sohn gereist und hatte gerade Saradoc begrüßt, als Pippin davon gerannt war. Er lächelte und warf seinem Schwager einen vielsagenden Blick zu. "So sind sie also wieder vereint, die drei Quälgeister!"
Saradoc lachte laut, klopfte dem Thain auf die Schulter und führte ihn in die Höhle, während sich Merimac um das Pony kümmerte.

Wie jedes Mal, wenn sie sich trafen, gab es einen riesigen Tumult beim Abendessen, da keiner der drei Vettern still sein konnte, doch Saradoc und Paladin ließen sie ausnahmsweise gewähren.
Gleich nachdem sie gegessen hatten, trafen sich die jungen Hobbits in Merrys Zimmer. Er hatte das größere Zimmer als Frodo und musste es, im Gegensatz zu Pippin, nicht mit seinem Vater teilen.
Merry hatte eine Lampe angezündet und außerdem einige Kerzen auf das Regal gestellt, als Frodo hereinlugte. Er hatte, genau wie seine Vettern, nur sein Nachtgewand an und kletterte sogleich in Merrys Bett, um es sich zwischen seinen Vettern, die bereits in eine übermütige Unterhaltung vertieft waren, gemütlich zu machen.
Aus Pippin sprudelten die Worte nur so heraus.
"… und…", er wandte sich an Frodo, "erinnerst du dich noch an Hildibrand?"
Frodo nickte.
"Er und Asphodel haben jetzt geheiratet. Er hat Perle niemals geküsst", Pippins Stimme klang ein wenig enttäuscht.
Frodo lächelte kopfschüttelnd. "Ich wusste es doch! Du hast mich ganz umsonst einen halben Tag lang auf dem Heuboden sitzen lassen, nur um mich anschließend auch noch zu Tode zu erschrecken."
Pippin senkte beschämt den Blick, bei der Erinnerung daran, wie er vor anderthalb Jahren beinahe vom Heuboden gefallen wäre, während er gemeinsam mit Frodo Hildibrand beobachtet hatte. Merry sah fragend von einem zum anderen und wollte sofort über die Ereignisse aufgeklärt werden.

Während Pippin und Frodo ihm davon berichteten, fiel Merry plötzlich ein, dass er Pippin sein Geschenk noch immer nicht gegeben hatte. Erst vor wenigen Tagen hatte er seinen dreizehnten Geburtstag gefeiert und dabei auch ein Geschenk für Pippin zur Seite gelegt, wohl wissend, dass sein Vetter bald zu Besuch kommen würde. Schnell sprang er von seinem Bett und kramte, unter den verwunderten Blicken seiner Vettern, in seinem Schrank eine Schreibfeder hervor, die er Pippin stolz präsentierte.
"Ich habe mir gedacht, das wäre das richtige Geburtstagsgeschenk für dich", erklärte er, als er die Feder seinem Vetter reichte. "Jetzt, wo du alle Buchstaben schreiben kannst, kannst du sie bestimmt gebrauchen."
Frodo lächelte in sich hinein, als Pippin Merry freudig um den Hals fiel und versprach, ihm ganz viele Briefe zu schreiben, sobald er seine Buchstaben besser beherrschte.

Es war schon spät in der Nacht, als Paladin an die Tür klopfte und nach seinem Sohn verlangte. Missmutig trennte sich Pippin von seinen Vettern und wünschte ihnen eine gute Nacht. Er wollte gerade die Tür hinter sich schließen, als Saradoc auf ihn zukam, um seinen Gästen ebenfalls einen angenehmen Schlaf zu wünschen. Frodo wurde in sein Zimmer geschickt und so kehrte langsam Ruhe ein im Brandyschloss, während die nächtlichen Schatten länger wurden.



~*~*~



Am nächsten Morgen hatten sich die drei jungen Hobbits gleich nach dem Frühstück verabschiedet. Sie wollten zum Bruch. Frodo und Merry verbrachten über die Sommermonate viele Stunden auf der anderen Seite des Flusses und dachten, es wurde Zeit Pippin auf ihre Erkundungstouren mitzunehmen.
Pippin war überglücklich. Alleine die Tatsache, dass er die Bockenburger Fähre benutzen durfte, ließ ihn übermütig werden. Bisher war er immer nur über die Brandyweinbrücke nach Bockland gekommen und die Fähre schien ihm eine willkommene Abwechslung. Als es dann allerdings soweit war, er auf dem Steg stand und die Fähre hätte besteigen sollen, schien er doch etwas unruhig zu werden.
"Und ihr seid sicher, dass ihr uns heil ans andere Ufer bringen werdet?", fragte er unsicher, blickte seine Vettern an und kniff dann die Augen zusammen, um die Entfernung zum anderen Ufer besser abschätzen zu können. Der Fluss war breiter, als er gedacht hatte.
Frodo und Merry nickten ihm aufmunternd zu und sprangen auf die Fähre, wo Frodo sich sogleich daran machte, die Taue zu lösen.
"Komm schon, Pip! Wir passen auf dich auf", meinte er mit einem Lächeln und hielt ihm die Hand hin.
Pippin sah ihn kritisch an. "Ich habe keine Angst, Vetter Frodo, solltest du mit diesem Grinsen darauf anspielen."
Frodo schüttelte den Kopf. Pippin beäugte ihn noch einen Augenblick und betonte noch einmal, dass er keine Angst habe, ehe er nach Frodos Hand griff und zögernd auf die Fähre trat. Kaum war er oben, stieß Merry mit einem langen Bootshaken ab.

Obschon die Fähre gemächlich über das Wasser zog, war Pippin froh, als er das andere Ufer erreichte und wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Verwundert sah er sich um, während Frodo und Merry das Fährenboot vertäuten. Neben dem Holzsteg auf dem sie sich befanden, dicht am Flussufer, standen weiße Posten an denen Lampen hingen. Vor ihnen lag ein breiter, gerader Weg, der mit weiß angestrichenen Steinen gesäumt war.
"Das ist der Fährweg", erklärte Frodo und hielt Pippin seinen Rucksack hin, den er auf dem Fährenboot hatte liegen lassen. "Er führt hinauf zur Landstraße."
"Und genau dahin werden wir jetzt gehen!" fuhr Merry fort, schulterte seinen Rucksack, der mit belegten Broten gefüllt war, und ging voraus.

Es dauerte nicht lange, da waren sie auf der Landstraße angekommen und wandten sich nach Süden. Bald darauf hatten sie den Apfelbaum erreicht, unter dessen dicken Ästen Frodo und Merry so oft saßen. Frodo lehnte seinen Rucksack an den Stamm und kletterte sogleich hinauf. Merry folgte ihm. Pippin zögerte einen Augenblick, tat es seinen Vettern dann aber gleich.
"Und was macht ihr hier oben?", wollte Pippin wissen, der sich nach einiger Zeit gelangweilt auf einen Ast setzte und die Füße baumeln ließ.
"Wir sehen den Leuten bei der Arbeit zu", erklärte Merry, kletterte zu seinem Vetter und setzte sich neben ihn auf den Ast.
Frodo pflückte sich einen Apfel, setzte sich auf der gegenüberliegenden Seite hin und lachte. "Entweder das, oder Merry heckt irgendeine Dummheit aus."
"Ich?", rief Merry entgeistert. "Soweit ich mich erinnern kann, kommst du mindestens genauso oft auf dumme Ideen."
Pippin kicherte in sich hinein, woraufhin seine Vettern ihn verwirrt ansahen.
"Ich bin sicher, keiner von euch kann es mit mir aufnehmen, wenn es um Dummheiten geht!" verkündete er dann stolz.
Frodo zog eine Augenbraue hoch und biss in seinen Apfel.
"Meinst du?", wollte Merry wissen. "Dann nenne uns doch deine nächste Dummheit, Peregrin Tuk, und wir werden bestimmen, ob sie dumm genug ist, dass sich auch ein Brandybock und ein Beutlin daran beteiligen können, ohne sich schämen zu müssen."
Pippin nickte zufrieden, griff nach dem Ast über sich und zog sich wieder auf die Beine. Neugierig blickte er in alle Richtungen und deutete schließlich nach Süden.
"Was ist das für ein Hof?"
Frodo brauchte gar nicht erst aufzustehen und nachzusehen, um zu wissen, wessen Hof das war. "Bauer Maggots", sagte er finster.
"Maggot?", wiederholte Pippin und zog fragend eine Augenbraue hoch. "Ich denke, auf seinen Feldern wächst bestimmt etwas Leckeres, etwas wie…", er überlegte einen Augenblick, "… Pilze!"
"Die Besten im ganzen Auenland!" rief Merry sogleich und rieb sich den Bauch.
Ein schelmisches Grinsen erschien auf Pippins Gesicht. "Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich hätte großen Appetit auf Pilze."
Merry grinste, wurde dann aber ernst. "Deine Ideen sind gut, werter Vetter. Gut genug für einen Brandybock um sich dir anzuschließen."
Pippin grinste zufrieden und wollte sich schon daran machen, wieder vom Baum hinunter zu klettern, als sich Frodo einschaltete, der ungewöhnlich still geworden war.
"Ein Brandybock mag das vielleicht tun, aber ein Beutlin nicht."
"Komm schon, Frodo, du liebst Pilze!" drängte Pippin.
Frodo schüttelte den Kopf. "Nicht die von Bauer Maggot."
Pippin sah ihn verwundert an und Merry erklärt knapp, dass Frodo einmal erwischt worden war.
"Das ist Jahre her!" sagte der junge Brandybock dann. "Maggot wird es inzwischen längst vergessen haben."

Jahre. Frodo schluckte.
"In wenigen Tagen werden es vier Jahre sein", sagte er dann leise und ein Zittern durchlief ihn, bei der Erinnerung daran.
War es tatsächlich schon vier Jahre her, dass er das letzte Mal mit Merry zu Maggots Hof gegangen war? War er bereits vor so langer Zeit von dem Bauer verprügelt und von den Hunden gejagt worden, bis er geglaubt hatte, keine Luft mehr zu bekommen? War es so lange her, dass er auf das Ufer das Brandywein zugelaufen war, als sein Blick…

Seine Finger klammerten sich an dem Ast fest auf dem er saß und er zuckte zusammen, als Merry ihm eine Hand auf die Schulter legte. Sein Vetter war zu ihm herüber geklettert und sah ihn aus besorgten Augen an. Frodo senkte den Kopf und umklammerte den Ast nun mit beiden Händen. Der angebissene Apfel war ihm wohl aus den Fingern geglitten, denn nun lag er im Gras unter ihm. Er holte tief Luft und schluckte erneut, als er Tränen in sich aufsteigen spürte.

Blitzschnell kletterte er dann vom Baum herunter, griff nach dem Apfel, den er lange betrachtete, ehe er sagte: "Es ist mir gleich, wie lange es her ist, oder ob Maggot oder seine Hunde es bereits vergessen haben. Ich habe es nicht vergessen und ich werde euch nicht begleiten. Meinetwegen kann ich hier, oder bei der Fähre, auf euch warten, aber zu Maggots Hof komme ich nicht mit."

Merry und Pippin warfen sich fragende Blicke zu, ehe auch sie herunter kletterten. Merry überlegte einen Augenblick, wobei er zum Himmel blickte. Es war kurz nach Mittag.
"Also gut", sagte er dann. "Pippin und ich kümmern uns um die Pilze. Du wirst Feuerholz sammeln. Anschließend treffen wir uns wieder hier und nehmen ein zünftiges Mahl zu uns."
Frodo nickte. "In Ordnung. Ich werde sehen, ob ich sonst noch etwas Brauchbares finden kann."

Kurz darauf trennten sich die Hobbits. Merry und Pippin gingen nach Süden, während Frodo nach Westen ging.
"Vier Jahre", wisperte er, während er durch die Wiesen stapfte. Er schüttelte den Gedanken ab. Jetzt war nicht die Zeit darüber nachzudenken. Er wollte nicht traurig sein. Fieberhaft überlegte er, was ihn von den Gedanken an seine Eltern abbringen konnte. Pippin! Pippin war hier und dieser sah es gar nicht gerne, wenn jemand traurig war. Außerdem schaffte es Pippin immer wieder ihn aufzumuntern, ganz gleich wie betrübt er war. Es war eigentlich ganz leicht. Wenn er sich jetzt beeilte, war er bald wieder unter dem Apfelbaum und konnte mit seinen Vettern gemütlich Pilze grillen. Kaum hatte er diesen Entschluss gefasst, begann er zu rennen. Frodo brauchte nicht lange zu laufen, da tauchte vor ihm ein Hof auf. Ein Hof ohne Hunde, wie Frodo ganz genau wusste, denn Maggot war der einzige Hobbit, der Hunde hielt.
Vor dem Holzhaus, das einer Hobbithöhle sehr ähnlich sah, waren Holzscheite aufgestapelt. Genau das, was er suchte.

Er duckte sich, versteckte sich so im hohen Gras und sah sich verstohlen um. Niemand war zu sehen, was ihn doch ein wenig verwunderte. Dennoch schlich er blitzschnell zu den Holzscheiten und packte einige davon in seinen Rucksack. Er keuchte, als er diesen wieder schulterte, da er nun um einiges schwerer geworden war, und rannte davon. Als er wieder ein wenig Abstand zwischen sich und das Haus gebracht hatte, hielt er inne und versteckte sich erneut im Gras. Wo ein Haus war, da musste auch ein Garten sein und schließlich wollte er nicht mit leeren Händen zurückkehren. Er sah sich um und schlich dann, mit einigem Abstand, wieder an das Gebäude heran. Dieses Mal wollte er jedoch die hintere Seite des Hauses begutachten. Auch dort wurde er schnell fündig. Nicht weit der Hintertüre war ein kleiner Gemüsegarten angelegt worden und auch dieser schien zurzeit unbewacht. Nichtsdestotrotz sah Frodo sich noch einmal um, ehe er auf den Garten zu schlich und drei Karotten herauszupfte. Auch zwei Tomaten fanden Platz in seinem Rucksack und…
"Was machst du da?!" die wütende Stimme der Bäuerin ließ Frodo hochfahren und auf der Stelle davon laufen. "Verschwinde aus meinem Garten, du kleiner Halunke!"
Die Bäuerin stapfte aus der Hintertür und rannte, mit dem Kochlöffel in der rechten Hand, schimpfend hinter Frodo her, erreichte ihn jedoch nicht, denn er war zu schnell.

Keuchend ließ sich Frodo schließlich ins Gras fallen, als er das Schimpfen der Bäuerin, die schon lange wieder umgedreht hatte, nicht mehr hören konnte. Das war knapp gewesen. Ein Glück, dass Maggot der einzige Bauer mit Hunden war. Maggot. Dieser Name erinnerte ihn wieder an Merry und Pippin. Wie es den beiden wohl ergangen war? Schnell schulterte er seinen Rucksack, denn dazu war er bei seiner plötzlichen Flucht nicht mehr gekommen, und eilte zurück zum Apfelbaum.

Merry und Pippin kamen gerade angerannt, als er sich an den Stamm des Baumes lehnte, seinen Rucksack öffnete und seine Beute begutachtete.
"Wie ist es euch ergangen?", wollte er wissen.
Pippin lachte, noch immer begeistert von dem, was er gerade erlebt hatte. "Einen gefährlichen Bauer habt ihr hier! Und erst die Hunde! Aber wir sind ungesehen entkommen."
"Auch wenn ich glaube, dass die Hunde ganz genau wussten, dass wir hier waren", erklärte Merry. "Das war ein Gekläff!"
"Das hatte ich vermutet", meinte Frodo mit einem Lächeln, ließ seinen Blick aber dennoch unsicher nach Süden wandern, ehe er zu wissen begehrte, ob sein Vettern dennoch hatten Pilze sammeln können.
Als die beiden nickten, fuhr er zufrieden fort. "Ich habe uns auch noch eine Kleinigkeit mitbringen können. Drei Karotten und zwei Tomaten." Er setzte einen entschuldigenden Blick auf. "Es wären drei geworden, aber die Bäuerin kam etwas zu früh aus der Hintertür gerannt. Also muss einer von uns wohl auf Tomaten verzichten."
"Ich denke, dass wirst du sein", entschied Pippin.
"Ja genau", stimmte Merry zu. "Du hast eine Tomate zu wenig gebracht, also wird es für dich nur Pilze und Karotten geben."
Frodo sah seine Vettern ernst an. "Ich denke, da ich alleine unterwegs war, steht es mir durchaus zu, eine Tomate zu essen. Ihr wart schließlich zu zweit bei Maggot und habt nur ein paar Pilze mitgebracht, wogegen ich mich um Karotten, Tomaten und Feuerholz gekümmert habe!"
"Können wir das bitte beim Essen klären?", unterbrach Pippin die Diskussion mit einem flehenden Gesichtsaudruck. "Ich habe Hunger!"

Das genügte um die anderen beiden daran zu erinnern, dass sie seit dem zweiten Frühstück nichts mehr zu sich genommen hatten und das, obwohl es inzwischen schon bald Zeit für den Vier-Uhr-Tee gewesen wäre.
Schnell hatte Frodo mit dem Holz, das er gesammelt hatte, und Merrys Zündhölzern ein Feuer entfacht. Merry war zum Fluss hinunter geeilt, wo er das Gemüse gewaschen hatte, während Pippin auf den Apfelbaum geklettert war und einige dünne Zweige abgerissen hatte, auf denen sie nun die Pilze aufspießten und über das Feuer hielten. Jeder gönnte sich als Beilage eine Karotte und auch die Tomaten wurden brüderlich geteilt. Es war ein köstlicher Schmaus!

Den Rest des Nachmittages verbrachten die Hobbits lachend und dösend unter dem Apfelbaum, wobei sie immer wieder einen der Pilze über dem Feuer grillten.
"Du hast Recht, Merry!" meinte Pippin schließlich, noch immer genüsslich kauend. "Ich glaube, das hier sind wirklich die besten Pilze im ganzen Auenland."
Merry grinste zufrieden und schob sich den letzten Bissen seiner Karotte in den Mund, während Frodo nach dem letzten Pilz griff. Pippin entriss ihm den Leckerbissen wieder und stieß seinen Ast hindurch, um ihn in die Glut zu halten.
"Was soll das?!" wollte Frodo wissen.
Pippin sah ihn ernst an. "Dir schmecken Maggots Pilze nicht."
Frodo sah ihn entgeistert an.
"Du hast es selbst gesagt", verteidigte sich sein Vetter. "Also solltest du den letzten Pilz mir überlassen, denn ich weiß ihn zu schätzen. Aus dem Besten Anbau im ganzen Auenland!"
Während Pippin noch lobpreiste, kam Merry an ihn herangeschlichen und nahm ihm den Ast mitsamt Pilz weg.
"Ich wusste das allerdings schon vor dem heutigen Tag, also gebührt der letzte Pilz mir!"
Mit diesen Worten nahm Merry den Pilz vom Ast und verspeiste ihn. Frodo und Pippin sahen ihn entgeistert an.
"Gieriger Brandybock!" brüllte Pippin plötzlich und warf sich auf seinen Vetter.
Frodo, der auf der anderen Seite der Glut saß, sah den beiden kopfschüttelnd zu, zog heimlich einen weiteren Pilz aus seiner Hosentasche und hielt diesen ungesehen in die Glut.



~*~*~



Pünktlich zum Abendessen waren die jungen Hobbits wieder im Brandyschloss. Ihr eigenes kleines Mahl am Nachmittag behielten sie für sich und, um sicher zu gehen, dass keine Zweifel bei ihren Eltern aufkamen, langten sie kräftig zu, als Esmeralda ihnen Kümmelkuchen servierte.





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