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Jenseits der Anfurten  by jodancingtree

6. Der Mallornbaum

Frodo hatte die Schnitzerei, an der er gearbeitet hatte, endlich fertig gestellt. Er lehnte sie gegen die Kamineinfassung und trat zurück, die Hände in den Taschen, und betrachtete sie kritisch. Gar nicht schlecht, dachte er. Er hatte ein gewisses Gefühl der Bewegung in den Segeln des Elbenbootes eingefangen, aber am allerbesten hatte er den Ausdruck auf Sams Gesicht getroffen. Sam stand auf dem Landesteg und hielt sich an der Reling fest, kurz bevor er in Eressëa ans Ufer trat, und sein Gesicht glühte vor Freude wie eine frisch angezündete Kerze. Frodo lächelte bei der Erinnerung. Er fragte sich, wie sein Gesicht in diesem Moment ausgesehen hatte. Wie ein Spiegelbild von Sam, wahrscheinlich.

Sam kam aus dem Garten herein, einen Salatkopf in jeder Hand. „Also, einen Tag gibt`s noch Salat für uns, Herr Frodo, aber das war’s dann auch dieses Jahr mit dem Garten. Der Frost letzte Nacht hat allem anderen den Rest gegeben. Obwohl, heute morgen ist es schön warm.“

Sein Blick fiel auf die Schnitzarbeit; er legte den Salat auf einen Stuhl und nahm die Holzplatte in beide Hände. „Also das ist es, woran du so heimlich herumgewerkelt hast!“ Er trug sie hinüber zum Fenster und hielt sie ans Licht.

„Du wirst besser mit jedem Stück, das du machst, Herr Frodo. Bloß musst du langsam mal ein neues Modell finden; du hast wirklich genügend Bilder von mir geschnitzt.“

Frodo lachte, nahm Sam die Platte ab und lehnte sie wieder gegen den Kaminsims. „Dies hier musste ich machen, Sam. Galadriel wollte es haben – sie sagte, dein Gesicht bei der Landung sei ,der freudevollste Anblick, den sie seit einem ganzen Zeitalter der Welt gesehen hätte’, und sie wollte ihn niemals vergessen. Und mehr noch, ich bin ganz ihrer Meinung.“

„Also, ich war froh genug, dich zu sehen, Herr Frodo! Und seitdem bin ich jeden Tag froh gewesen.“ Er sammelte seinen Salat vom Stuhl auf und brachte ihn in die Speisekammer. „Wir haben einen schönen Morgen für eine Wanderung, falls du eine unternehmen willst, Herr Frodo.“

„Ja, das will ich. Wir sind immer noch nicht drüben am Südende gewesen, und dort gibt es etwas, wovon ich möchte, dass du es siehst. Und wir sollten lieber heute gehen, bevor wir noch eine Woche voller Regen bekommen!“

Sie gingen gleich nach dem Frühstück los und brachten eine gute Strecke hinter sich, bevor sie die Dünen erreichten und langsamer wurden, während sie durch den lockeren Sand stapften. Nach zwei Monaten auf Eressëa war Sam viel kräftiger als zuvor, und die Wanderung war ein Vergnügen für ihn. Von Zeit zu Zeit öffnete sich eine Lücke in den Dünen und sie erhaschten einen kurzen Blick auf das Meer, das sich in einem dunkleren Blau zeigte, jetzt, wo der Herbst gekommen war. Das Geschnatter von Gänsen durchbrach die Stille, als die beiden Hobbits sich landeinwärts wandten, und der Schwarm zog in lockerer Formation über ihnen dahin.

Als die Sonne schon ziemlich hoch über ihren Köpfen stand, hatten sie den Rand einer großen Wiese erreicht. Bleiche Grasbüschel und ganze Wolken von Feenastern reichten ihnen bis zur Hüfte, als sie sich einen Weg hineinbahnten. In der Mitte der Wiese erhob sich ein mächtiger Baum, ein einsamer Fürst in einem Ozean aus Gras; seine Blätter leuchteten golden in der Sonne. Auf halbem Weg durch die Wiese begriff Sam, was das war. Er hielt inne und starrte ungläubig.

„Aber Herr Frodo, das ist ja ein Mallorn! Ein Mallornbaum!“

Sein blankes Erstaunen brachte Frodo zum Lachen. „Ja, Sam, das ist ein Mallorn. Wieso, dachtest du, das Auenland besäße den einzigen Mallorn westlich der Berge? Galadriel hat den Samen mitgebracht, als wir kamen, und sie hat ihn hier eingepflanzt, um immer ein kleines Stück Lothlórien bei sich zu haben.“ Nach einer Pause fuhr er nachdenklich fort: „Aber weißt du, jetzt ist es auch ein kleines Stück vom Auenland. Ich kam früher oft hierher und habe mich darunter hingesetzt, vor allem, wenn ich das Auenland vermisste. Wenn ich dich vermisste, alter Freund.“

Plötzlich war sein Gesicht sehr ernst. „Es hat mich fast umgebracht, fortzugehen, Sam, nachdem du den ganzen Weg treu bei mir geblieben bist. Ohne dich hätte ich den Berg nie erreicht, und ich wäre ganz sicher nicht wieder nach Hause gekommen! Du warst der wahre Held der Geschichte. Und dann mache ich mich aus dem Staub und lasse dich allein! Oh, ich bin mir wie ein Verräter vorgekommen! Aber wie ein finsterer Verräter fühlte ich mich sowieso, denn als die letzte Prüfung kam, habe ich den Ring für mich beansprucht, und nichts kann das mehr ändern. Wenn Sméagol nicht gewesen wäre...“

Er seufzte und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. „Ich bin oft nachts aufgewacht und habe darüber nachgedacht. Wenn Sméagol ihn mir nicht weggenommen hätte, was dann? Ich weiß, ich hätte ihn niemals ins Feuer werfen können. Der einzige Weg wäre gewesen, mich selbst ins Feuer zu stürzen, mit Ring und allem. Ich frage mich, ob ich das fertig gebracht hätte?“

Sam starrte ihn entsetzt und mitleidig an, dann streckte er die Arme aus und zog ihn hinein in eine feste Umarmung. „Herr Frodo! Mein Wort, Herr Frodo! Kein Wunder, dass du fort musstest, wenn du so gedacht hast. Und keine besonders klaren Gedanken, wenn es dir nichts ausmacht! Weil du nämlich nicht richtig bei dir warst, sozusagen, als wir zu diesem Berg kamen, und es hat keinen Zweck, mir was anderes zu erzählen.“

Er hielt Frodo auf Armeslänge von sich ab. „Aber dann gehst du hin und quälst dich selbst deswegen. So bist du eben, und ich liebe dich dafür. Aber zu mir hast du kein Wort gesagt! Alles, was ich wusste, war, dass du zu den Anfurten gegangen bist, weil deine Schulter dir immerzu wehgetan hat, diese alte Verletzung von der Morgulklinge.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich konnte nie begreifen, weshalb du uns verlassen hast. Es schien nie genügend Gründe zu geben dafür, wenn du verstehst, was ich meine.

Gut, jetzt versteh ich’s immerhin. Wenn du mir verzeihst, dass ich das sage, Herr Frodo – du denkst zuviel nach! Du quälst dich doch hoffentlich nicht mehr auf diese Weise, oder?“

Frodo lachte widerwillig. „Was, durch Nachdenken? Nein Sam, jetzt nicht mehr. Nicht, seit – also, eines Tages hatte ich einen Besucher. Unter dem Mallorn, genauer gesagt. Ich saß drinnen... komm, lass uns unter den Baum gehen, das ist wie ein Zimmer, kühl und schattig. Es wird dir gefallen. Dort können wir miteinander reden.“

Er brach mit plötzlicher Eile durch das hohe Gras und ließ Sam bald hinter sich. Sam keuchte in seiner Spur hinter ihm her, fast unfähig, Schritt zu halten. Als Frodo den Baum erreichte, schaute er zurück und sah Sam fast zehn Meter von sich entfernt; er arbeitete sich mühsam vorwärts und hielt sich die Seite.

„Oh Sam, es tut mir leid!“ Er eilte zurück, um Sam seinen Arm anzubieten, aber Samweis schüttelte die unwillkommene Hilfe ungeduldig ab.

„Schon in Ordnung, Herr Frodo. Ich kann gut laufen, ich kann bloß nicht rennen! Du magst hier nicht unsterblich sein, aber du bist keinen Tag älter geworden, das ist mal sicher!“

Frodo gluckste und ging neben ihm her. Als sie den Baum erreichten, hielt er einen der niedrigen Zweige zur Seite, damit Sam darunter durchkam, ohne sich bücken zu müssen. „Da sind wir, Sam. Wie gefällt dir mein Sprechzimmer?“

Sam schaute sich entzückt um. Der silbrige Stamm des Mallorn erhob sich wie eine riesige Säule aus dem Gras. Die Äste wuchsen hoch über ihren Köpfen aus dem Stamm, ein hoher Baldachin aus ineinander verwobenem Silber, der sich rings um sie herabsenkte wie ein Zelt, und der mit den längsten Astspitzen fast den Boden berührte. Der auf diese Weise abgeschlossene Raum war groß und voll von diffusem, goldenen Licht.

„Sterne und Herrlichkeit, Herr Frodo! Das ist ja mal was! Ich bin bloß überrascht, dass du deine Höhle nicht verlassen und deinen Haushalt statt dessen hier aufgeschlagen hast. Obwohl ich glaube, bei Regen wird es ein bisschen feucht.“

Er ließ sich auf den Boden sinken, lehnte den Rücken an den massiven Baumstamm und streckte dankbar die Beine von sich. „Ah, das ist besser! Jetzt brauchen wir nur noch einen kühlen Schluck und ein bisschen Essen, dann können wir für den Rest des Nachmittags hierbleiben. Vielleicht können wir ein Schläfchen halten, wenn wir mit Reden fertig sind, und bei Sonnenuntergang zurückgehen. Wir hätten unser Mittagessen mitbringen sollen, Herr Frodo.“

Frodo lächelte und drehte seine Taschen um, wobei zwei Wasserflaschen und verschiedene Essenspäckchen zum Vorschein kamen. „Da hast du, Sam! Und das ist kein Wasser in diesen Flaschen, das ist guter elbischer Wein. Würde ich dich wohl auf einen Marsch quer über die Insel mitnehmen und nichts zum essen einpacken? Ein bisschen Hobbitverstand darfst du mir schon zutrauen!“

Sie fielen darüber her, als hätten sie nicht erst vor ein paar Stunden ein riesiges Frühstück vertilgt, und für eine halbe Stunde sagte niemand etwas. Endlich lehnte Sam sich zurück, verkorkte seine Flasche und wischte sich mit dem Handrücken den Mund. „Viel besser.“ sagte er. „Jetzt lass uns mal sehen, was ich in meinen Taschen habe.“ Er zog zwei Pfeifen und einen weichen Lederbeutel heraus.

„Sam Gamdschie, du Schuft! Ich habe keine Pfeife mehr geraucht, seit ich das Auenland verlassen habe, und du hattest die da in deiner Tasche, seit du hier angekommen bist und hast kein Wort gesagt!“

Sam lachte schulterzuckend, reichte ihm den Beutel und eine der Pfeifen.

„Um die Wahrheit zu sagen, bis eben jetzt hatte ich sie einfach vergessen. Aber eine Pfeife ist was Feines nach einem guten Mahlzeit, und zu einem Gespräch passt sie auch. Und ich möchte von deinem Besucher hören, Herr Frodo. Klingt, als hätte er dir mehr gutgetan als Gandalf und sämtliche Elben, und ich möchte wissen, was er getan hat, um dich in Ordnung zu bringen. Denn in Ordnung bist du jetzt, Herr, so in Ordnung, wie jemand nur sein kann.“

Frodo stopfte seine Pfeife und zündete sie an; er ließ sich Zeit damit. Endlich sagte er: „Ich weiß nur nicht, wie ich dir von ihm erzählen soll. Die ganze Sache war sehr seltsam. Er war ein Mensch, um damit anzufangen --- und du weißt, dass sie nicht nach Eressëa kommen. Niemals, und trotzdem war er da, und er wusste alles über mich. Und ich habe ihm alles gesagt; ich bin einfach ganz und gar zusammengebrochen. Und Sam, ich war ihm noch nie zuvor begegnet, ich habe keine Ahnung, wo er herkam. Und seit diesem Tag habe ich ihn auch nicht mehr wiedergesehen.“

Sie rauchten eine Weile schweigend, und Sam wartete.

„Also gut, ich fragte ihn, wo er herkäme, und er sagte, er wäre ein Arzt und gekommen, um mich zu heilen. Und dann sah ich seine Hände! Er hatte diese furchtbaren offenen Wunden an den Händen, kein bisschen verheilt, als ob – ich weiß nicht, Spieße oder so etwas hindurchgerammt worden wären. Da gibt es eine Elbenerzählung, erinnerst du dich? ... von einem Elbenherrn, der von Morgoth gefoltert und an einen Felsen gekettet wurde, mit einem Spieß, den man durch seine Hand getrieben hat? Genauso sahen seine Hände aus, nur dass es beide Hände waren, und er war auch kein Elb.

Ich fragte ihn nach den Wunden, und er sagte, er hätte eine Aufgabe erfüllt, die Aufgabe, ,das Böse aus den Herzen seiner Kinder zu tilgen’, und dann sagte er, er sei Iluvatars Sohn. Hast du jemals von Iluvatar gehört, Sam?“

Sam nickte und paffte an seiner Pfeife.

„Ja, Herr Frodo, hab ich. In Minas Tirith war das, als ich mit Rose und Elanor da war. Königin Arwen hat mir eine elbische Legende darüber erzählt, wie Iluvatar - oder vielleicht sein Sohn - direkt in die Schöpfung eingreifen und alles zurechtbringen würde. Dem Bösen ein Ende bereiten, würdest du wohl sagen. Eines Tages. Iluvatar, das ist der Elbenname für Eru den Einen. Aber irgendwas ist falsch mit der Zeit, Herr Frodo. Alles war friedlich und so, als ich das Auenland verließ, aber ich würde nicht sagen, dass das Böse aus der Welt vertrieben worden ist. Noch nicht jedenfalls.“

„Nein.“ stimmte Frodo zu. „Aber das ist es, was er gesagt hat. Und dann... ich kann es nicht beschreiben. Sein Gesicht wurde hell, heller als die Sonne, und er sagte, was immer ich auch falsch gemacht hätte, oder was ich nicht getan hätte und besser hätte tun sollen, das alles sei mir vergeben. Es war, als könnte er geradewegs in mich hineinsehen, und ganz plötzlich fühlte ich mich durch und durch gereinigt, und so glücklich, dass ich in den Himmel hätte hinauffliegen mögen wie ein Vogel!“

Er hielt inne und sah Samweis mit einiger Verlegenheit an. „Du musst denken, ich bin verrückt geworden, Sam.“

Sam schüttelte den Kopf und lächelte. „Dann ist es die richtige Sorte Verrücktheit, Herr Frodo. Du siehst immer noch glücklich genug aus, um wegzufliegen! Trotzdem, tu das nicht, nicht ohne mich! Ich will das nicht noch einmal durchmachen.“

Frodo lachte, dann wurde er wieder ernst. „Da ist noch mehr, Sam. Er sagte – also, er sagte, er sei während der ganzen Fahrt bei uns gewesen. Auch wenn wir es nicht wussten, und das brachte mich ins Grübeln. Warum kamen die Adler in dem Moment, als sie es taten, gerade rechtzeitig, um uns vor dem Feuer zu retten? Oder ganz am Anfang, als Gildor und die Elben gerade rechtzeitig vorbeikamen, um den Schwarzen Reiter zu verscheuchen. Oder Tom Bombadil, unten an der Weidenwinde, genau an dem Tag, als wir ihn brauchten, wo er bis zum Frühling doch gar nicht mehr dort hinkommen wollte. Es gab so viele Gelegenheiten, wo es so aussah, als ob uns jemand helfen würde... uns schützen würde.“

„Mmmm-hmm.“ Sam nickte und dachte darüber nach. „Oder was ist damit, Herr Frodo: Du erinnerst dich wahrscheinlich nicht daran, du warst sehr weit neben dir, aber an der Seite vom Schicksalsberg... ich trug dich, und auf dem halben Weg nach oben machte mein Rücken einfach nicht mehr mit. Wir lagen da, um uns auszuruhen, und plötzlich war es, als ob uns jemand rufen würde: Jetzt, jetzt, oder es ist zu spät! Du hast es auch gespürt, du bist gleich aufgestanden, genau wie ich. Bloß, wer hätte uns rufen sollen? Aber es war nur allzu richtig – es wäre zu spät gewesen, wenn wir noch länger da geblieben wären.“

Eine plötzliche Erinnerung regte sich in Sam... Mitternacht neben einem rauschenden Strom und ein Mann mit wissenden Augen. Er sagte nichts, aber er betrachtete Frodo nachdenklich. Ein paar Momente später nickte er, als sei er zu einem Entschluss gekommen.

„Was ich denke, Herr Frodo... ich denke, du bist wirklich Iluvatars Sohn begegnet, was immer das auch zu bedeuten hat. Und er hat dich geheilt. Und dafür danke ich ihm von ganzem Herzen.“

Er verfiel in Schweigen, und für eine Weile war unter dem Baum alles still. Endlich klopfte Frodo die Asche aus seiner Pfeife, stand auf und ging zu den Zweigen, um hindurchzusehen. „Da ist... also, da war noch eine Sache, Sam.“

Samweis hatte sich bequem auf dem Boden ausgestreckt; er umschloss die kalt gewordene Pfeife mit der Hand und war kurz davor, einzunicken. Er öffnete die Augen und sah Frodo forschend an. Frodo zögerte, das Gesicht voller Besorgnis, und Sam setzte sich langsam auf.

„Also gut, Herr Frodo. Was ist das für eine Sache?“

„Er sagte mir, dass du kommen würdest, Sam. Er – er sagte, dass ich jetzt, wo ich geheilt bin, bald nach Hause gehen muss. Aber ich müsste nicht alleine gehen, weil du kommst.“ Frodo hatte auf die Wiese hinaus gestarrt, während er sprach. Jetzt wandte er sich um und stellte fest, dass Sam ihn mit eigentümlichen Blick und mit einem halben Lächeln ansah.

„Mit nach Hause ist nicht das Auenland gemeint, hab schon verstanden.“ sagte Sam still. „Und du fragst dich, was ich dazu meine, wo ich doch sozusagen gerade erst angekommen bin.“

Frodo nickte. Er kam zurück und setzte sich neben Samweis. „Es macht nicht wirklich etwas aus, nicht für mich. Ich bin für eine lange Zeit hier gewesen. Aber was dich angeht...“ Seine Augen waren voller Kummer.

Sam lachte sanft, streckte die Hand aus, fasste Frodo an der Schulter und schüttelte ihn leicht. „Herr Frodo, ich bin hundertzwei. Ich hatte ein langes, erfülltes Leben und sehr wenig zu bereuen. Und was immer zu Hause sein mag, mein Rosiemädchen ist schon dort.

Ich bin nicht nach Eressëa gekommen, weil ich unsterblich sein wollte wie die Elben; ich bin gekommen, um dich wiederzusehen. Und jetzt bin ich schläfrig, und – bitte um Verzeihung – ich werde ein Nickerchen machen.“ Er klopfte seine Pfeife aus und steckte sie in die Tasche. „Und flieg mir bloß nicht weg wie ein glücklicher Vogel, während ich schlafe, Herr Frodo! Wir werden zusammen gehen, wie er gesagt hat.“

Er rollte seine Jacke zusammen und steckte sie sich unter den Kopf, während er sich hinlegte. Frodo streckte sich neben ihm auf dem Boden aus, den Kopf auf einem Arm ruhend. Er lächelte und fasste nach Sams Hand. „Es war ein langer Weg, nicht wahr, Sam? Ein langer Weg, und ein schwerer. Aber auch ein guter, ganz am Ende. Ich bin froh, dass du bei mir sein wirst. Ich habe mich davor gefürchtet, allein zu gehen.“ Sine Augen schlossen sich. „Noch eine gemeinsame Reise mehr.“ Seine Stimme war fast zu leise, als dass Sam sie hören konnte.

Sam schaute ihn an, wachsam bis zuletzt, und strich Frodo mit der freien Hand das Haar aus dem Gesicht. Frodos Atem, zuerst tief und regelmäßig, wurde allmählich flach und langsam. Sam beugte sich über ihn und betrachtete ihn sehr genau, dann küsste er ihn sanft auf die Stirn. Er drehte sich so herum, dass er den Kopf auf Frodos Schulter legen konnte, dann schloss er mit einem langen Seufzer die Augen.

„Ich komme schon, Herr Frodo.” murmelte er.


ENDE


Notiz:

Der Elbenherr, auf den Frodo sich bezieht, ist Maedhros. Er wurde von Morgoth an den Thangorodrim gekettet, und ein Spieß wurde durch seine Hand getrieben. Er wurde von seinem Freund gerettet, Fingon, der gezwungen war, ihm die Hand abzuschneiden, um ihn befreien zu können (Aus dem „Silmarillion“)

Die Legende davon, wie Iluvatar in die Schöpfung eingreifen würde, stammt aus der Arthrabeth, dem Streitgespräch zwischen Finrod und Andreth.

 





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